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Zugreise Rovos Rail SüdafrikaWo der Eigner selber mitfährt Mit dem Rovos Rail von Pretoria nach Kapstadt Es gibt keine Eisenbahnpioniere, die so berühmt wurden wie die vielen Erfinder des Automobils. Daimler, Benz, Maybach, Ford, Citroen, Bugatti - legendäre Namen allesamt, bis heute geehrt durch die Millionen Autos, die unter ihrem Namen herumfahren. Wer kennt dagegen schon George Nagelmacker, den Gründer der "Compagnie Internationale des Wagon-Lits", der die Luxuszüge mit Schlaf- und Speisewagen auf europäischen Strecken heimisch machte? Die großen Züge - vielleicht mit Ausnahme des kleinen englischen Schwesternzuges zum "Venice Simplon Orient-Express", der regional als "British Pullman" bekannt ist - tragen keine Familiennamen. Selbst Hotelgründer - Ritz, Adlon, Claridge, Negresco - sind da selbstbewusster als die Initiatoren von Internationalen Eisenbahnstrecken. Aber, im Ernst, "Sherwood-Express" würde wohl auch keineswegs so attraktiv klingen wie "Eastern & Oriental Express". Doch auch diese Regel wird durch eine Ausnahme legitimiert: Es gibt in Afrika einen Zug, der immerhin halbwegs die Flagge des Gründers und Eigners vor sich herträgt, auch wenn man seinen Namen zunächst für eine afrikanische Bezeichnung halten mag: "Rovos Rail" entstand aus ROhan VOS, dem Namen des Initiators, der stolze Untertitel "The Pride of Africa" kam erst später hinzu. Als ich mich in Pretoria zu meiner Fahrt mit dem Rovos Rail einfinde, beginnt meine Begeisterung bereits im ersten Augenblick: So habe ich mir immer schon den stilvollen Start einer Reise vorgestellt. Die kleine Reisegesellschaft hat sich in der Departure Hall des Hotels Victoria eingefunden, das seinem Namen alle nostalgische Ehre macht. Es werden Tee und Gebäck gereicht. Zwei würdige Stehgeiger lassen Konzertantes vom Bach-Konzert bis zum Strauß-Walzer ertönen. Dann trifft zu unserer Begrüßung der Eigner des südafrikanischen Zuges auf. Er wirkt jugendlich, kein bisschen zeremoniell und warnt uns in wohldosiertem Scherzton "Die Aircondition funktioniert nicht immer, sie ist sehr empfindlich gegen Dampf, aber es gibt einen Ventilator und einen Heizkörper in jeder Suite..." Der schlanke freundliche Mann, dessen Namenskürzel "Rovos" jeden Wagen seinen Zuges ziert, wurde mit dem Handel von Traktoren und Ersatzteilen zum vielfachen Millionär. Der Eisenbahn-Spleen befiehl ihn, als er vom Staat gebeten wurde, etwas für die Erhaltung alter Dampflokomotiven zu spenden. Und er hatte sofort eine Idee, wie sie nur ganz reichen Leuten einfallen kann: "Ich dachte, es wäre doch schön, einen kleinen Zug für die Familie zu haben." Vos begann, alte Lokomotiven und Eisenbahnwaggons zu sammeln und zu restaurieren und war alsbald über die familiäre Dimension hinaus: Heute besitzt er vier Dampflokomotiven und ein gutes Dutzend Schlaf- , Bar- und Speisewagen, die ältesten stammen aus der Zeit der Jahrhundertwende, die jüngsten aus den dreißiger Jahren; außerdem kaufte er das kleine Victoria Hotel gegenüber dem Bahnhof von Pretoria, von dem aus sich der Rovos Rail jeden Mittwochnachmittag auf die Reise nach Kapstadt begibt. Er nimmt sich für 1600 Kilometer fast 47 Stunden Zeit (fast doppelt so lange wie der "Blue Train"), mit zwei touristischen Stopps freilich, in der berühmten Goldgräberstadt Kimberley und in dem nicht ganz so bekannten Museumsdorf Matjesfontein. Überhaupt ist der Rovos Rail der touristisch aktivere Zug: Neben seiner Rennstrecke Kapstadt - Pretoria (oder auch: Pretoria - Viktoriafälle) absolviert er auch eine 18-tägige Reise von Kapstadt nach Daressalem (oder in die Gegenrichtung), die - mit zehn Nächten an Bord - erstaunlicherweise exklusiv von einem deutschen Veranstalter angeboten wird: Als besonderen Vorzug merkt jener an, dass diese Reise ganz "ohne den üblichen Dresscode des Rovos Rail" auskommt. Die jungen Hostessen, die uns auf dem Bahnsteig mit einem Gläschen Sekt empfangen, sehen in ihren Faltenröcken und geblümten Blusen ein bisschen aus wie ihre eigenen Großmütter: "Die Uniformen sind nicht sehr vorteilhaft, aber dafür original dreißiger Jahre", erzählt mir eine mit dem schönen Namen Sonette, die mir auch meine Kabine zeigt. Die Suiten des Rovos Rail, wie Vos sie vorzugsweise nennt, erklären den selbstbewussten Titel, den sich der "Stolz von Afrika" (aber auch der Royal Scotsman) zugelegt hat: "der luxuriöseste Zug der Welt". Tatsächlich habe ich schon immer in Hotelzimmern gewohnt, die kleiner waren. Ich blicke aus vier Fenstern, und auf der Seite zum Gang hin kann ich drei Scheiben aufziehen, sodass ich Sicht nach beiden Seiten habe. Das Bett steht quer zur Fahrtrichtung und nimmt in seinem opulenten King-Size-Format fast ein Drittel der Kabine ein. Zwei gemütliche Rattansessel flankieren einen viereckigen Tisch, auf dem zum Willkommen ein Obstteller, etwas Biltong, das luftgetrocknete Fleisch Afrikas, und ein kleines Fläschchen einheimischer Schaumwein dekoriert sind. "Und wenn Sie mich haben wollen", erklärt mir Sonette in ihrem ulkigen Englisch die Intercom-Wechselsprechanlage, "dann drücken Sie A und dann viermal die Taste "Call", dann melde ich mich. "Wie sich herausstellen wird, funktioniert das tatsächlich. Vielleicht hätte mir Sonette auch zeigen sollen, wie man sich die Hände wäscht, denn das erweist sich als sehr viel weniger einfach. Das Becken dafür, aus Metall und kaum größer als ein Motorradhelm, wird aus der Wand geklappt, und dann liegen die beiden Hände so nahe am Rand, dass man seine Hände unmöglich unter das laufende Wasser halten kann; selbst das Füllen des Zahnputzbechers wird zum Problem. Doch ansonsten besitzt das Bad erfreuliche Abmessungen und ein eigenes Fenster; an der Wand hängen ein deutscher Gasboiler und ein Föhn; und in der Duschkabine kann man nicht nur stehen, sonder sich auch bewegen. Der Rovos Rail führt 22 solcher Suiten wie meine "Shangani" in Wagen 8242 (und zehn kleinere), dazu vier noch größere Royal Suites, kann mithin lediglich 72 Passagiere befördern. Heute sind es nur 28, von denen sich inzwischen alle, die eine Kamera besitzen, an der Spitze des Zuges versammelt haben. Dort dampft und pafft jetzt eine gewaltige Dampflokomotive heran - für die Experten: so eine Art Red Devil in Grün, Achsfolge 2 - D - 2, mit stromlinienförmig sich verjüngendem Tender - und koppelt sich im Blitzlichtgewitter der Eisenbahnfreunde vor unseren Wagen. Mister Rovos Rail Vos muss immer wieder vom Lokführerstand herunterlächeln, obwohl die Maschine gar nicht ihm, sondern der Südafrikanischen Eisenbahn gehört. Und die zieht uns jetzt bis Kapstadt? "Nein, nein", sagt Vos ohne jede Verlegenheit, "die bringt uns bis Krügerdorp, das ist zweieinhalb Stunden von hier, dann kriegen wir eine elektrische, dann eine Diesellokomotive, aber zwei Stunden vor Kapstadt wechseln wir wieder um auf Dampf". Ob denn ein Zehntel der Strecke ausreicht, um einen Zug unter dem Etikett nostalgischer Dampflok-Romantik zu verkaufen? "Wir haben auf jeder Tour drei bis vier richtige Damplok-Freaks", hat Vos beobachtet, "aber alle beschweren sich über den Schmutz". Im Observation Car, neuzeitlich übergroß verglast und mit vielen schönen Eisenbahn-Bildbänden ausgerüstet, trinken sich die Passagiere für das Abendessen in Stimmung. Die Getränke sind inklusive. Es wird heftig gemixt, und den Sekt nennen wir nach Landessitte Champagner: "Die meisten Gäste schwören", sagt der Barmann hochgemut, "dass er mindestens so gut ist wie französischer!". Dann sitzen wir endlich zwischen den zierlichen Holzsäulen unter den Deckenventilatoren im Speisewagen, Jahrgang 1929. Vielleicht ist es wirklich besser, dass die großen schwarzen Rauchwolken von der Lokomotive nicht mehr an den Waggons vorbeiziehen: So gut schließen die alten Fenster nicht, dass sich sonst nicht ein öl- und Rußfilm auf den weißen Tischdecken niederschlagen würde. Das Dinner umfasst fünf Gänge und bei fast jedem gibt es eine Alternative: Nach der Suppe entweder Räucherlachs oder Krebsschwänze, vor dem Hauptgang ein Sorbet. Und wer nicht die Peri-Peri Chicken Wings ordert, sonder das Rinderfilet mit grüner Pfefferkorn- und Cassis-Sauce, darf auch noch entscheiden, wie er es haben möchte. Doch ob medium oder rare, alle werden graubraun zu Tode gebraten serviert: eine Reklamation ändert nichts an dem Ergebnis. "Der Koch bedauert", bestellt eine versöhnlich lächelnde Melody, "aber daran kann er gar nichts machen!" Stattdessen bringt sie große Dessert-Portionen: ganz süßen "Apple Strudel" oder ein schön alkoholisches Grand-Marnier-Parfait. Der wendige Barmann mimt derweil den Sommelier. Die Weinkarte, alles inklusive, enthält von einem kleinen Constancia Chardonnay bis zu Bertrams Shiraz 15 Weine, für die sich auch ein anständiges Restaurant nicht schämen müsste. Draußen zieht die eintönige, trockene Karoo-Hochebene vorbei und verschwindet in der Dämmerung; morgen werden wir das Weinland um Paarl erreichen. "Darauf müssen wir einen trinken", sagt mein Nachbar jovial. Ich mache es ihm nach, bestelle zusätzlich noch die Käseplatte und einen Rubicon von Meerlust. Keiner muss hungern auf dem Rovos Rail, und für uns Weinfreunde gibt es keinen besseren Zug! Text: Horst-Dieter Ebert |
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