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Zugreisen Blue Train Südafrika
Zugreisen Blue Train Südafrika Wo es Tee wie in London gibt Mit dem Blue Train durch Südafrika Wer fährt schon gern weg aus Kapstadt? Die schöne Stadt am Südende des afrikanischen Kontinents zieht ja fast jeden Besucher in ihren Bann: das theatralische Naturspektakel über dem Tafelberg, wo Sonnenschein und Gewitterschlag so schnell und so theatralisch wechseln wie sonst kaum irgendwo auf der Welt; die Bilderbuchstrände mit den dramatisch anrollenden Wellen; das quirlige Leben an der "Waterfront" und schließlich das berühmte Weinrevier zwischen Stellenbosch, Franschoek und Paar, Kapstadts berühmtestes, süffigstes Ausflugsziel mit Weinen, die längst mit den besten in Europa konkurieren ... Doch wenn man Kapstadt schon verlassen muss, und wenn man das stilvoll bewerkstelligen will, dann gibt es eigentlich nur einen Weg: den mit dem berühmten Blue Train! Ich bin mal wieder etwas spät dran, in der Blue Train Lounge im Bahnhof von Kapstadt haben sich schon ein paar Dutzend Passagiere versammelt, und obwohl es erst kurz nach 8 Uhr am Morgen ist, wird auch schon ein bisschen Schaumwein konsumiert zu den kleinen Kanapees, die von ein paar reizenden Hostessen serviert werden. Die Stimmung ist animiert, viele gehören offenbar zu einer Gruppe, kennen sich alle und lachen in kennerischer Vorfreude. Dann bringen uns die uniformierten jungen Leute zu unseren Abteilen im Blue Train. Bevor ich sonst etwas vom neuen Blue Train sehen kann, muss ich erst einmal die Technik in meiner Kabine bewundern. Erik - "I am your butler!" - zeigt mir das kleine Handy: "Sie brauchen nur 255 zu wählen und schon haben Sie mich! Und jeder kann Sie anrufen!" Er demonstriert mir die Fernsteuerung für den Grundig-Fernseher, der hoch oben über dem Kleiderschrank eingebaut ist und jetzt nur den Blick von der Lokomotive auf die Gleise vor uns zeigt: "Aber wenn wir fahren, gibt es auch Videos!" Und so ganz nebenbei kann man mit der Fernbedienung auch die Jalousetten am Fenster auf- und abfahren lassen. Der Ur-"Blue Train" verdankte seine Existenz einem der umstrittensten und reichsten Männern der Zeit: Cecil Rhodes, Imerialist, Rassist, Freimaurer, Gründer und Eigner des Diamantenmonopols von "de Beers", später Premierminister Südafrikas, hatte sich eine Eisenbahnlinie von Kapstadt bis Kairo erträumt. Dazu kam es nicht. Doch bis zu den Minen von Kimberley ging es mit der Strecke immerhin voran, und dann - also dort erste Goldfunde gemeldet werden - schneller auch bis Johannesburg. 1923 startet der junge südafrikanische Staat eine Eisenbahnlinie von Kapstadt, wo die Überseedampfer aus England anlanden, zu den Minen von Johannesburg und Pretoria. 1927 wird der Zug auf dieser Strecke erstmals luxuriös aufgerüstet, dann alle zehn Jahre wieder; ab 1946 heißt er "Blue Train", 1972 werden die Wagen wieder ausgewechselt, und 1997 erhält er - für umgerechnet zwölf Millionen Deutschmark - seine heutige Ausstattung. Die Premiere wird von einer bunten und glamourösen Festgesellschaft begleitet: Präsident Mandela weiht in Pretoria den glänzenden Zug ein, an Bord des Blue Train amüsieren sich Prominente von Bischof Edmund Tutu bis Naomi Campbell, Mia Farrow bis Quincy Jones. An den alten Blue Train erinnert heute nur noch die leuchtend blaue Bemalung mit den gelben Streifen. Der alte war berühmt, aber von limitiertem Luxus und einem doch recht altbackenem Design. Ich hatte damals versucht, meinen relativ bescheidenen Koffer unter dem Bett oder in der oberen Ablage unterzubringen und war in beiden Fällen gescheitert. Die Nasszelle hatte eher eine Alibifunktion, benutzen konnte man sie eigentlich kaum. Das Schönste waren noch die großen Fruchtkörbe und farbenprächtigen Blumenbuketts und das verschwenderische Silbergeschirr, als wäre Südafrika nicht das Land der Goldminen, sondern der großen Silberfunde. Der aktuelle Blue Train besteht jetzt aus 18 Waggons mit fast 400 Metern Gesamtlänge: Darin können bis zu 84 Passagiere reisen, die Fahrt von Kapstadt nach Pretoria oder umgekehrt dauert 26 Stunden für die rund 1600 Kilometer. Sie kostet, je nach Kabinentyp, pro Person zwischen 800 und 1360 Euro, alle Mahlzeiten und Getränke inklusive, "wenn es sich nicht grade um französischen Champagner oder russischen Kaviar handelt", wie der Zugchef witzelnd hinzufügt. Meine Kabine besitzt angenehme Ausmaße, die durch einen halbhohen Spiegel in Fahrtrichtung optisch noch vergrößert wird. Die Wände bestehen aus poliertem Walnuss mit ein paar sparsamen Intarsien, die Beschläge glänzen in Messing, das Fenster hat - 16:9 ist gar nichts dagegen - extremes Breitwandformat. Die großen blauen Sessel, aus denen dann später die Betten gefaltet werden, sehen mit ihren Bodüren, Knautschrollen, kleinen und großen Kissen und der weißen Kopfserviette ein bißchen spießig aus, aber spießig auf erkennbar teurem Niveau. Ich kann meinen Kofferinhalt mühelos im Schrank unterbringen, nur die Hosen schleifen auf dem Boden, und die Hemden müssen für die Schubfächer auf DIN-A4-Format verkleinert werden. Doch der Stauraum ist für Zug-Verhältnisse geradezu üppig, es gibt einen elektronischen Safe, und sogar der Schrank lässt sich abschließen; dies ist, wir sind ja in Südafrika, ein Zug für Sicherheitsbewusste. Erik öffnet beifallhaschend die Tür meiner Nasszelle: Waschbecken, Toilette und Duschzelle, in der sich auch die schwersten Gewichtsklassen komfortabel bewegen können. "Alles Marmor", sagt mein Butler respektvoll und dreht spielerisch einen Wasserhahn auf: "Und die Armaturen, echt vergoldet". Ich muss gestehen: Schöner habe ich das auf der Schiene nie erlebt. Die Mahlzeiten im Blue Train finden in zwei Sitzungen statt; ich habe mich für die zweite entschieden, Lunch um 14 Uhr (ganz aktuell nennen sie es Brunch), Dinner um 20:30 Uhr. Der Tisch blinkt voller Silber und geschliffenem Glas. Der Kellner serviert einen fast allzu schwer bepackten Teller mit Amuses-Geules: eine winzige Lebertortelette, ein vegetarisches Sushi, eine kleine Pyramide aus Lachstatar. Ich überspringe die Suppe, kriege einen zarten Lobster in einer sanften gelben Curry-Ingwersauce und schließlich "Bobotie" - so eine Art Labskaus auf Afrikanisch, aber auch hier natürlich von der besseren Gastronomie küchentechnisch höchst verfeinert: Es kommt in einer kleinen Kuchenform, sieht aus wie Crème Brulée, doch unter einem kleinen Eierstichhütchen verbirgt sich was Durchgedrehtes, mit Rosinen Angereichertes, falscher Hase mit einem Hauch Exotik. Dazu wird Mango-Chutney gereicht, geraspelte Kokosnuss und ein leicht angeschärftes Tomaten-Zwiebel-Konfetti. Der Dresscode für das Mittagessen im Blue Train heißt "smart-casual", die erste Silbe davon hat, soweit ich sehen kann, keiner so richtig zur Kenntnis genommen, aber ungezwungen sind fast alle. Abends schreibt das Reglement "Jacket and tie and ladies in elegant evening wear" vor, und da mischen sich tatsächlich einige Smokings und Abendkleider unter das bunte japanisch-amerikanisch-europäische Volk; ein paar Unentwegte kommen indes auch jetzt wieder so kostümiert, als warteten sie auf einen plötzlichen Stopp, um dann im Busch auf Safari zu gehen. So viel Busch ist indes nicht zu sehen. Kaum haben wir die Kapstadt-Region verlassen, rollt der Blue Train stundenlang durch die Karoo, eine ziemlich unwirtliche (und ziemlich langweilige) Trockensteppe, in der Tiere, jedenfalls mit bloßem Auge, nicht zu beobachten sind. Nach dem Mittagessen halten wir in Matjesfontein, einer Art altkolonialem Museumsdorf, was übersetzt "Quelle der jungen Mädchen heißt". Einst diente es als Station, in der die Dampflokomotiven Wasser tankten. Ein lungenkranker Schotte kurierte hier Ende des 19. Jahrhunderts sein Leiden aus, baute die "Oase im Niemandsland" zu einem Luftkurort aus und wurde Gästen wie Cecil Rhodes, dem Sultan von Sansibar oder Edgar Wallace zu einem reichen Mann. Heute steht die putzige Siedlung unter Denkmalschutz, ein englischer Doppeldeckerbus steht für die "City Tour" durch das eineinhalb Straßen zur Verfügung, im viktorischen "Hotel Milner", gibt es auch ein Restaurant mit angeblich guter Weinauswahl. Mit den Weinen im nämlich habe ich, nach Tagen in der wunderbaren Weinregion Kapstadts, gelinde Probleme. Sie kranken, wie heutzutage die Inclusiv-Leistungen vieler Veranstalter, an allgemeiner Sparsamkeit oder auch der Befürchtung, von einem guten Tropfen würden die Passagiere womöglich viel mehr trinken als von mittelmäßigen. Und so sind sie auch: eine Auswahl an allerpreiswertesten und populärsten, Fleur de Cap, Bellingham und Nederburg ohne Ende: " Das trinken meine Kinder", lacht ein älterer Südafrikaner und zeigt auf den Sekt, "weil er so schön billig ist!" Im übrigen sind, bis auf ein paar Gerichte der Küche, die Weine das einzig wirklich Afrikanische in diesem Zug. Sonst wirkt er kompromißlos international: Design und Ausstattung verraten keine Herkunft, allenfalls mit detektivischer Spürnase lassen sich ein paar Indizien ausmachen. Im Lounge Car stehen auf der Bar zwei kleine schnaubende Elefanten aus Holz und im Bücherregal "Die Vögel von Afrika". Aha, da weiß man natürlich Bescheid. Meine Sternstunde kommt kurz vor der Ankunft: Das Telefon klingelt, endlich, denke ich, endlich ruft mich jemand an, die Technik macht sich bezahlt, ich komme mir sehr wichtig vor: "Jawohl", rufe ich in den Hörer, "hier ist Horst-Dieter Ebert!" Und höre am anderen Ende eine vertraute Stimme: "Hier ist Erik, Ihr Butler, ich wollte nur fragen: Kann ich Ihnen vor der Ankunft in Pretoria noch irgendwas servieren?" Text: Horst-Dieter Ebert |
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