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Island - Rückkehr zur Seele
Geldgier und Größenwahn haben Island in die Pleite geführt. Nun besinnen sich die Menschen neu und entdecken ihre Wurzeln wieder – Natur, Kultur und Nation. Ein spannendes Ziel für eine Kulturreise.
Zum Feiern ist Zeit – trotz Krise. Vor 20 Jahren durfte in Island erstmals Bier frei verkauft werden, am 1. März 1989. „Seither feiern wir jedes Jahr unseren B-Day, sagt Island-Spezialist Arthur Bollason und lacht: „Der ist genauso wichtig wie der Nationalfeiertag.“ Auch wenn Werbung für alkoholische Produkte in Island nach wie vor verboten ist, „so gilt Trinken bei uns fast als Tugend“, sagt Arthur, der schon viele Jobs innehatte – TV-Moderator, Touristenführer, Schriftsteller und heute Manager der Fluggesellschaft Icelandair.
Und für Reykjaviks Jugend ist das Feiern Philosophie, am B-Day und an jedem beliebigen Freitagabend. Dann verwandelt sich die sonst beschauliche Inselhauptstadt in eine Party-Hochburg. Fröhlichkeit allerorts? Das Bild trügt. Denn ein Jahr nach Ausbruch der Krise, die Island so stark erwischt hat wie keinen anderen europäischen Staat, steht Island wirtschaftlich vor einem Trümmerhaufen. Die meisten Menschen sind hoch verschuldet, viele haben ihren Job verloren, Auslandsreisen sind nicht mehr drin, und manche spielen gar mit Auswanderungsgedanken. Island wird jetzt erstmals von einer rot-rot-grünen Koalition regiert.
Island - Erfolgreiche Kochtopfrevolution
Als Kochtopfrevolution bezeichnen die Menschen von Island den Wechsel: Täglich waren Tausende vor Parlament und Zentralbank gezogen und schlugen stundenlang auf Töpfe und Pfannen.
So lange, bis die Chefs beider Institutionen ihren Hut nahmen. Skurril: Ausgerechnet David Oddsson, gescheiterter Bankenboss, führt nun die größte Tageszeitung Islands.
Die Währung von Island hat dramatisch an Wert verloren, die Wirtschaft liegt am Boden.
Nur eine einzige Branche profitiert: der Tourismus. Weil das Land günstiger geworden ist, reisen jetzt auch solche Menschen nach Island, denen die Preise früher zu hoch waren. Selbst der Event- und Incentive-Bereich gewinnt. „Zu unseren Business-Gästen zählen viele deutsche Firmen“, erzählt Björn Eriksson, Geschäftsführer des Nobelhotels Rangá. Mitten im Nichts, gelegen vor einem traumhaften Vulkanpanorama, erbaute er das Haus vor zehn Jahren direkt am lachsreichsten Fluss Europas. Tagungen mit Incentives wie Jeep-Fahrten ins Hochland locken die Unternehmen. Zu Björns Hotelkonzept gehört das Grüne: Geheizt wird mit heißem Wasser aus der Erde, das danach als Duschwasser dient. Und auf den Tisch kommen lokale Produkte wie fangfrischer Fisch.
Island ist Stolz auf Kultur, Natur und Nation: Im Jahr 1 nach Krisenausbruch suchen die Isländer nach ihren Wurzeln. Fünf Jahre lang hatte sich das Land gefühlt „wie eine Wallstreet im Kleinformat“, sagt Arthur. Völker die es nicht schafften, mit Spekulationen Milliarden zu machen, wurden bemitleidet, die Bänker stolz als Finanz-Wikinger gerühmt. „Unser fünfjähriges Finanzabenteuer ist zu Ende“, formuliert es jetzt Katrin Juliusdottir, die 34 Jahre alte Tourismusministerin des Landes. Dass Island nicht völlig in Konkurs ging, hat es auch seinem kleinen Nachbar Färöer zu verdanken, der ihm bedingungslos Millionenkredite gewährte.

Island - Leidenschaft statt Lohn
Katrin (in Island spielt der Nachname keine Rolle) weiß: Island überlebt nur, wenn es eine Wende vollzieht. Weg von der umweltzerstörenden Aluminiumproduktion, bislang zweitwichtigste Branche nach Fischfang, hin zu grünen Industrien wie IT und Tourismus: Forderungen, mit denen die einstige Importeurin deutscher Kinderbekleidung und Anhängerin des 1. FC Kaiserslautern noch ziemlich allein steht. Ihr Etat, auch für Tourismus, wurde radikal zusammengestrichen, und seine Fremdenverkehrsämter im Ausland hat Island geschlossen. Nun setzt die Ministerin auf Menschen, die aus Leidenschaft für Island werben.
Doch es ändert sich etwas in den Köpfen der Menschen. „Sie besinnen sich auf sich selbst“, sagt Arthur: „Die Sagas, die unsere Vergangenheit erklären, werden gelesen wie nie zuvor.“ Arthur gehört zu den Vorreitern. Bereits 1999 gründete er ein Saga-Zentrum und führte Interessierte an die malerischen Schauplätze der Insel, an denen sich eins das Leben der Wikinger abspielte. 2011 wird Island Partnerland der Frankfurter Buchmesse sein, ein Großereignis, auf das die Regierung bereits jetzt hinarbeitet. Wer heute seine Tagungen in Island abhält, der profitiert: Die Natur mit ihren Vulkanketten, klaren Flüssen und Flechten in allen Farben zieht in Bann. Stille, die man hören kann. „Wir entdecken unseren Ursprung wieder“, sagt Arthur, „den hatten wir vergessen. Doch wer zu schnell rennt, der lässt seine Seele zurück.“ Mahnmale für den Größenwahn sind viele Bauruinen und der Rohbau eines milliardenteuren Kongress-Centers, an dem erst langsam wieder Arbeiter werkeln. Und im Kleinen die Island-Suite im Hotel Rangá. Weil der Finanzier pleite ging, ist sie unfertig. „Ich nenne es Reykjavik-Stil“, sagt Björn Eriksson und lacht.

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